Suche nach Augenzeugen in Sozialen Medien
1. August 2022Geschützt: Leitfaden investigative Personenrecherche
9. November 2023Woher stammt ein Foto oder ein Video, das einen angeblichen Skandal oder eine unglaubliche Geschichte beweisen soll? Wie lange steht es schon im Netz? Wo wurde es aufgenommen? In diesem Leitfaden erfahren Sie Schritt für Schritt, wie Sie Fotos und Videos verifizieren.
Verifikation via Rückwärtssuche
Oft lässt sich mit einer einfachen Bilder-Rückwärtssuche bereits beweisen, dass ein Foto in einem anderen Zusammenhang als dem behaupteten steht oder älter ist als angegeben. Bei Google geht’s so: Klickt man auf das Kamera-Symbol im Suchfenster, lässt sich ein beliebiges Foto hochladen oder die URL eines Fotos eingeben. Via GoogleLens wird ein digitaler Fingerabdruck des Bildes errechnet und mit Millionen anderer bereits bekannter Bilder abgeglichen. In den Suchergebnissen erscheinen Seiten, die das Bild ebenfalls enthalten.
Keine Ergebnisse? Alternativen durchprobieren!
Yandex – meine erste Anlaufstelle, die bei der Rückwärtssuche von Bildern andere, manchmal auch bessere Ergebnisse liefert als Google Lens, insbesondere bei nicht-englischsprachigen Websites.
Bing – auch hier wird das altbekannte Kamerasymbol im Suchfeld angezeigt, einfach draufklicken und los geht’s. Die Qualität der Treffer wird immer besser, auch hinsichtlich von Gesichtserkennung.
Tineye ist eine der ältesten Rückwärtssuchmaschinen. Meist liefert sie weniger Treffer als Google und zeigt auch keine ähnlichen Bilder an, sondern sucht nur genau das gelieferte Bild; maximal werden andere Ausschnitte als Treffer angezeigt. Die Sortierung nach dem ältesten und neuesten Fund, Bildgröße und „best match“ ist allerdings praktisch.
Logodetection – ein hilfreiches Tool, das Logos in Videos oder Fotos erkennt und zuordnet. Der Detektor sucht nach Logos und gleicht Fundstücke mit einer umfangreichen Datenbank ab. Gibt es einen Treffer, zeigt er weiterführende Informationen über die Firma oder Organisation an und führt auch zur Wikipedia-Seite.
Immer noch keine Ergebnisse?
Versuchen Sie, das Foto horizontal zu spiegeln! Hierbei hilft die Seite flipapicture. Manche Faker versuchen nämlich, ein Foto so zu verändern, dass es sich nicht leicht mit einer Rückwärtssuche finden lässt, indem sie das Bild spiegeln, den Ausschnitt verändern oder Farben variieren.
Übrigens: Grundsätzlich funktioniert eine Rückwärtssuche auch bei Videos, allerdings benötigen Sie dafür Screenshots. Der Youtube-Dataviewer von Amnesty International lässt eine solche Rückwärtssuche automatisiert für Youtube-Videos zu: Einfach eine Video-Adresse eingeben und die Vorschaubilder sind mit der Google-Bilderrückwärtssuche verknüpft.
Geolocation mit KIhttps://picarta.ai
Sprachmodelle wie ChatGPT, Gemini & Co können inzwischen bei der Lokalisation von Fotos behilflich sein. Einfach ein Foto hochladen und von der KI analysieren lassen. Extra für diesen Einsatzbereich programmiert wurden Webseiten wie geospy.ai oder picarta.
Verifikation via Metadaten
Viele Bilder verraten mehr als wir auf den ersten Blick erkennen: Wer hat wann ein Foto wo gemacht, mit welcher Kamera, wurde das Bild nachträglich bearbeitet? Solche Informationen verraten die sogenannten Exif-Daten („Exchangeable Image File Format“), die sich mit Tools wie jimpl.com anzeigen lassen. Aber Achtung: Nicht alle Fotos enthalten Exif-Daten, insbesondere Soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter und auch viele Newsportale löschen solche Informationen standardmäßig bei der Veröffentlichung. Daher ist es hilfreich, das zu prüfende Bild möglichst nah an seinen Ursprung zurückzuverfolgen. Hier hilft die Zeiteinschränkung der Bilderrückwärtssuche von Google. Oft kommen so Versionen des Fotos zu Tage, die noch Metadaten enthalten.
Verifikation via Fotoforensik
Ist das vorliegende Foto das Original? Haben Faker das Bild verändert, Einzelteile hinzugefügt oder wegretuschiert? Seiten wie fotoforensics oder forensically untersuchen Bidmaterial mit forensischen Analysen, beispielsweise mittels „Error-Level-Analysis“ (ELA). Bildanteile, die möglicherweise manipuliert wurden, erscheinen heller oder dunkler. Bei forensically gibt es zusätzlich eine Reihe weiterer Analyse-Möglichkeiten, zum Beispiel „Clone-Detection“, mit der Sie geklonte Bereiche in einem Bild sichtbar machen können. Tipp: Das kostenlose Plugin InVID hält eine Reihe von Rückwärtssuchen und forensischen Methoden zur Analyse von Fotos und Videos bereit.
Wo wurde ein Foto oder Video gemacht? Die Strategien…
Um den Ort eines Fotos oder Videos zu verifizieren, gibt es grundsätzlich verschiedene Herangehensweisen:
- Suchen Sie nach dem gleichen Foto auf anderen Webseiten bzw. suchen Sie nach einzelnen Objekten auf dem Foto auf anderen Fotos. Hier hilft regelmäßig Foto-Rückwärtssuche mit einschlägig bekannten Suchmaschinen (Google, Tineye, Yandex etc.). Die Erfahrung zeigt, dass Google die beste Anlaufstelle ist, wenn man das mehr oder weniger gleiche Foto auf anderen Websites vermutet. Die Foto-Rückwärtssuche von Yandex widerum ist unschlagbar, wenn es darum geht, Objekte auf dem Foto auf anderen Fotos wiederzufinden.
- Suchen Sie nach markanten Objekten im Bild. Oft finden sich Straßenschilder, Schriftzüge auf Hausfassaden, scheinbar noch so unwichtige und kleine Details wie die Form eines öffentlichen Abfalleimers können hilfreich sein, den Aufnahmeort eines Bildes zu ermitteln. Bei unvollständig lesbaren Schildern die Autovervollständigung von Google nutzen.
- Was sehen Sie auf dem Bild? Googlen Sie eine Bildbeschreibung. Eine abstrakte Beschreibung eines Objektes auf einem Foto in wenigen Worten (zwei oder drei Suchbegriffe) eignet sich in vielen Fällen hervorragend, um Ergebnisse zu erzielen. Voraussetzung ist, dass das Objekt einigermaßen unique ist und Sie davon ausgehen können, dass Sie mit Ihrer Bildbeschreibung andere Webseiten finden, die genau diese Beschreibung und ein ähnliches Foto ihres Objektes enthalten.
- Woran erinnert das Bild? Googlen Sie Suchbegriffe, die Sie zu Vergleichsbildern führen. Haben Sie einen Verdacht, können Sie mit den folgenden Strategien den genauen Standort des Fotografen ermitteln:
Vergleichsbilder suchen
Bei Außenaufnahmen ist es regelmäßig möglich, via Google Earth Pro bzw. Google Maps Gebäude, Straßen, Landschaftsmerkmale etc. abzugleichen. Dabei hilft vor allem die Satelliten-Ansicht, insbesondere, wenn es bei Google 3D-animierte Städteaufnahmen gibt. Profi-Tipp für Google: In der Satelliten-Ansicht von Maps die „Strg“-Taste gedrückt halten und das Bild mit der Maus verschieben – so öffnet sich automatisch der 3D-Modus, mit dem ähnlich wie in Google Earth Landschaften und in Großstädten sogar Gebäude, Bäume etc. dreidimensional animiert angezeigt werden. So können Sie versuchen, virtuell den vermuteten Standort des Fotografen einzunehmen und abzugleichen, ob die Bildinhalte übereinstimmen.
Alternativ können Sie bei Bing schauen, ob es Aufnahmen aus der Vogelperspektive gibt. Zusätzlich lassen sich in den meisten Regionen bei Google-Maps Fotos anzeigen, die von anderen Usern eingestellt wurden: Dazu unten rechts das gelbe Männchen auf die Landkarte ziehen und eventuell vorhandene Fotos sowie die verfügbaren Google-Street-View-Ansichten werden als blaue Markierungen angezeigt. Jedes der Bilder enthält als Information einen Zeitstempel (mit Monat und Jahr) und ggf. den Urheber. Alternativ einfach unten auf die zwei schwarzen Pfeile klicken („Bilder anzeigen“). Achtung: Dazu darf im Suchfeld kein Ort zum Suchen eingegeben sein.
Vor allem die Aufnahmen von Google-Streetview können eine große Hilfe sein, in vielen Fällen gibt es in Städten außerhalb Deutschlands Aufnahmen sogar Bilder von unterschiedlichen Zeitpunkten. Dazu einfach auf die kleine „Zeitmaschine“ oben links achten:
Tipp: Wird nur ein Aufnahmedatum angezeigt, einfach die Straße hoch- und runterscrollen, oft kommen dann weitere Aufnahmen hinzu (funktioniert leider nicht für deutsche Städte).
Als Alternative für Google-Bilder bzw. Streetview eignet sich die russische Suchmaschine Yandex: Auch hier lassen sich Fotos auf einer Landkarte anzeigen. Hierfür einfach in „Maps“ oben rechts auf „street panoramas and photos“ klicken. In vielen Städten Osteuropas und Russlands (auch der Türkei) sind Streetview-Aufnahmen vorhanden. Einzelne Fotos haben leider zunächst keinen Zeitstempel. Möchten Sie das Aufnahmedatum erfahren, müssen Sie zunächst auf das Profil des Urhebers klicken (unten links) und dann das Foto auf dessen Seite suchen. Hierfür entweder links auf „Fotos auf der Karte klicken“ oder in den entsprechenden Alben auf der rechten Seite suchen (Achtung: Hierfür habe ich mir die Yandex-Seite via Chrome vom Russische auf deutsch übersetzen lassen).
Weitere Quellen für Bildmaterial
Mapillary, openstreetcam – „Streetview für Nebenstraßen“ – vor allem in Ländern wie Deutschland, in denen es nur wenig Material von Googles Streetview gibt, sind diese Portale Gold wert: User laden hier Material ihrer Dashcams hoch, selbst von Nebenstraßen und Feldwegen.
Tripadvisor – Bewertungsseiten wie Tripadvisor, Foursquare oder Yelp verfügen in der Regel über einen großen Schatz an Fotos von Usern, die man allerdings teilweise etwas umständlich suchen muss.
Flickr – eine der größten Fotocommunities. Flickr bietet die Möglichkeit, Fotos nach Stichworten zu suchen und sogenannte Fotostreams (User-Profile in Form kleiner „Fotoblogs“) anderer Benutzer anzuschauen. Tipp: Unbedingt die Funktionen der erweiterten Suche nutzen.
Echosec: Eine Fundgrube für Fotos aus Sozialen Netzwerken, die über Geo-Daten verfügen und auf einer Landkarte angezeigt werden. Der Dienst ist leider kostenpflichtig.
Tools für Bild-Informationen
Wikimapia – wo ist was auf dem Globus? Wikimapia ist eine Weboberfläche, die dem Benutzer erlaubt, Informationen in Form einer Notiz an jede Position der Erde hinzuzufügen.
Geolocatethis – ein spannendes Tool, um einen Ort zu lokalisieren. Die Seite ist mithilfe von Google-Maps zum Beispiel in der Lage, auf einer Karte bestimmte Einrichtungen und Objekte (z.B. Läden, Ampeln, Bushaltestellen) zu finden, die in einem bestimmten Umkreis von einem weiteren Objekt entfernt sind. Beispiel: Bushaltestellen, die nicht weiter als 20 Meter von einer Apotheke entfernt sind. Haben Sie also ein Foto, auf dem beides zu erkennen ist und haben Sie dazu den Verdacht, dass die Aufnahme in Berlin entstanden sein könnte, so lassen sich mit dem Tool eine Reihe von möglichen Orten ausfindig machen.
Genauen Standort des Fotografen ermitteln
Suchen Sie markante Punkte auf dem Foto, die Sie auch bei Google Maps identifizieren können, beispielsweise eine Kirchturmspitze, ein Hausdach, einen Baum. Dann schauen Sie, welche weiteren markanten Punkt in direkter Sichtachse / Linie zum Fotografen vorhanden sind.
Bei Google Maps verbinden Sie die Punkte miteinander, die auf der selben Sichtachse liegen. Verlängern Sie diese Linie in Richtung des vermuteten Standorts des Fotografen. Der Schnittpunkt dieser beiden Achsen ist der Standort des Fotografen. Klickt man mit der rechten Maustaste bei Google Maps auf die Landkarte und dann auf „was ist hier“, zeigt Google bei Häusern die genaue Adresse an.
Wann wurde ein Foto oder Video gemacht?
Zunächst können Sie versuchen, mit einer Rückwärtssuche herauszufinden, ob es das gleiche Foto oder Video bereits zu einem früheren Zeitpunkt gegeben hat – hier hilft die Datums-Eingrenzung bei Google oder der Youtube-Data-Viewer, der sogar den genauen Upload-Zeitpunkt eines Youtube-Videos anzeigt.
Handelt es sich um ein Foto oder Video, das einen bestimmten Vorfall dokumentieren soll? Zu vielen Ereignissen lassen sich in Sozialen Netzwerken mit der entsprechenden Hashtag-Suche und ggf. mit einer Datumseingrenzung Berichte oder sogar weitere Foto- oder Filmaufnahmen finden.
Auch auf den ersten Blick unscheinbare Details sind oft wertvolle Hinweise auf das mögliche Aufnahmedatum. Mit den oben genannten Tools lassen sich Vergleichsbilder finden, mit denen Sie abgleichen können, wann ein bestimmtes Detail (zum Beispiel ein Straßenschild) zum ersten mal in einer Straße zu sehen ist, ob ein Haus umgebaut oder renoviert wurde, etc. Einige Tools stellen historische Wetterdaten zur Verfügung: Ein sehr anschauliches Archiv für europäische Wetterdaten bietet timeanddate.de – einfach eine Stadt eingeben und dann auf „Wetter Rückblick“ klicken. Das Archiv reicht allerdings nur bis 2009 zurück, manche Städte sind nur unvollständig erfasst. Die Suchmaschine Wolfram Alpha stellt weltweite historische Wetterdaten zur Verfügung – einfach einen Ort, ein Datum und das Stichwort „Weather“ eingeben. Für So lässt sich dann beispielsweise feststellen, dass das Foto mit dem wolkenlosen Himmel nicht zu dem angegebenen Zeitpunkt gemacht worden sein kann – weil es an dem selben Ort den ganzen Tag regnete. Auch der jeweilige Sonnenstand ist ein wertvoller Hinweis, sowohl auf das Datum (wie lange ist der Schattenwurf von Gebäuden, Bäumen etc.?), als auch auf die Tageszeit. Wann die Sonne wo am Himmel stand bzw. steht, lässt sich mit suncalc berechnen: